Kapitel 10 – Aufregung Hohenzollern-Streit

In de tweede druk van Wilhelm – Een omstreden eilandgast is een hoofdstuk toegevoegd over de rol die de kroonprins speelde in de jaren dat Hitler in Duitsland de macht greep. 
Dit is – ter informatie van potentiële uitgevers – de Duitse vertaling daarvan.

 

In Deutschland sind die Emotionen über ein Thema, das sich seit sieben Jahren hinter den Kulissen abspielt, aber 2019 in vollem Umfang ans Licht gekommen ist, stark gestiegen.

Worum geht es hierbei?

Das Deutsche Reich war 1918 mit der Flucht Kaiser Wilhelms in die Niederlande zuende gegangen und der Adel wurde in der neuen Weimarer Republik abgeschafft. Darüber hinaus verlor die Adelsfamilie Hohenzollern nicht nur ihre Macht, sondern auch einen Teil ihres Eigentums. Viele der Burgen, Schlösser  und Kulturgüter gingen in Staatsbesitz über, aber die Familie durfte einige davon behalten, bis die Hohenzollern 1945 durch die sowjetische Militärherrschaft in Deutschland enteignet wurden. Viele ihrer Besitzungen lagen nämlich in der russischen Besatzungszone, der späteren DDR.

Im Jahre 1990, nach der Wiedervereinigung, kam daher die Frage auf, ob die Bundesrepublik mit den Enteignungen durch die Sowjetunion ebenso verfahren sollte wie mit den Enteignungen von Privatbesitz durch die DDR-Regierung seit 1949 – nämlich mit der Rückgabe an die ursprünglichen Eigentümer. Im Einigungsvertrag von 1990 wurden die Enteignungen durch die sowjetische Besatzungsmacht jedoch als rechtsgültig anerkannt; allerdings wurden den Erben Entschädigungen in Aussicht gestellt. 1994 wurde eine solche Entschädigung im Ausgleichleistungsgesetz an die Voraussetzung gebunden, dass die Antragsteller nicht “dem nationalsozialistischen oder dem kommunistischen System erheblichen Vorschub geleistet” hätten.

Die Affäre begann, als der Ururenkel von Kaiser Wilhelm, Georg Friedrich Ferdinand Prinz von Preußen (geb. 1976), seit 1994 Chef der Hohenzollern-Dynastie, unter Bezugnahme auf das Ausgleichlseistungsgesetz, im Jahre 2013 die Rückgabe des Familienbesitzes in den Bundesländern forderte.

Den Hohenzollern gehörten dereinst brandenburgische Schlösser, Villen und Ländereien im Wert von umgerechnet rund 20 Millionen Euro, darunter das legendäre Schloss Rheinsberg. Dies betraf neben die Burgen und Schlösser, auch Archivdokumente, etwa 9000 Kunstwerke und Kronjuwelen. Georg Friedrich will außerdem einen Betrag von über einer Million Euro und ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für seine Familie auf dem Schloss Cecilienhof in Potsdam. Die Bundesländer Berlin und Brandenburg sowie die Bundesregierung verhandeln seit 2014 hinter den 

Kulissen über das enteignete Eigentum der Familie, unter anderem um teure Rechtsverfahren zu vermeiden und aus der Befürchtung, dass die Familie Kunst aus Museen beansprucht.

Kronprinz Georg Friedrich

Die Kernfrage ist jedoch noch nicht beantwortet und genau darum geht es bei diesem Problem, nämlich ob jemand aus der Familie der Hohenzollern dem NS-Regime erheblichen Vorschub geleistet hat oder nicht. Dies ist auch für Experten keine leichte Frage. Einige Historiker beurteilen das Verhalten der Hohenzollern während der NS-Zeit als einen „unschuldigen Flirt“, der den Weg für die Wiederherstellung der Monarchie ebnen sollte. Andere argumentieren, Hitler habe 1932 mit Hilfe des ehemaligen Kronprinzen die Macht übernommen.

Um jemanden als wichtigen Nazi-Helfer zu qualifizieren, muss er sich mit einer gewissen Kontinuität wissentlich dem NS-Regime verpflichtet haben. Der Nutzen für die Nazis muss nicht ohne Bedeutung gewesen sein. Nur wenn als erwiesen gelten kann, dass die Familie Hohenzollern den Nationalsozialismus nicht maßgeblich befördert hat, besteht für die Familie Aussicht auf Entschädigung für nach 1945 erlitten Enteignungen. Insbesondere die Rolle des damaligen Kronprinzen Wilhelm, der bis 1951 das Haus Hohenzollern leitete, ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung.

Es liegt nun an den Richtern, ein Urteil darüber zu fällen, und sie können sich bei der Urteilsfindung auf einige Gutachten stützen.

Die Untersuchung

Prinz Georg Friedrich versuchte zu belegen, dass sein Vorfahr in der Nazizeit keine besondere Rolle spielte. Die Hohenzollern beauftragten 2013 den Cambridge-Professor und Bestsellerautor Christopher Clark, einen der besten und international angesehensten Deutschland-Historiker (Die Schlafwandler) mit der Erstellung eines Gutachtens, womit sie ihren Anspruch untermauerten.

Im Februar 2014 jedoch kassierte Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Die Linke) den Vorbescheid ein, ließ das Verfahren stoppen und beauftragte zwei weitere Historiker mit Fachgutachten: Peter Brandt und Stephan Malinowski. Brandt ist ein Historiker und Professor im Ruhestand für Neuere und Neueste Geschichte an der Fernuniversität in Hagen.

Malinowski forschte im Auftrag des Landes Brandenburg über die “Kriegsgeschichte” der Hohenzollern und ist ein führender Historiker in Fragen des deutschen Adels.

Als Antwort darauf beauftragten die Hohenzollern Wolfram Pyta ein neues Gutachten zu erstellen. Pyta, Professor an der Universität Stuttgart, ist Experte auf dem Gebiet der Weimarer Republik, und der Biograph von Hindenburg. Er engagierte Rainer Orth als Co-Autor. Pyta und Orth beschäftigten sich zwei Jahre lang mit dieser Angelegenheit und kamen 2016 zu einem ausführlichen Gutachten. Das Gutachten hat den Anspruch, neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu liefern, im Unterschied zu den beiden früheren Gutachten von Brandt und Malinowski.

Jan Böhmermann

Die vier Gutachten auf die sich die Richter stützen mussten, waren streng geheim, aber Mitte November 2019 machte der deutsche Satiriker, Moderator und Journalist Jan Böhmermann die Gutachten öffentlich. Er startete die Website „Hohenzollern.lol“, auf der die Berichte kostenlos und unzensiert zu finden sind. In einem Video fordert Böhmermann Historiker und Anwälte auf, die Dokumente zu durchsuchen und “die kriminelle Adelsfamilie mit legalen Mitteln aufzuhalten”.

Teilweise dank Böhmermanns Aktion wurde das heikle Thema öffentlich gemacht und jeder kann versuchen, die Antwort auf die drängende Frage zu finden: Hat Kronprinz Wilhelm von Preußen Hitler geholfen? Immerhin sind die Erfolgschance des Hohenzollern-Anspruchs entscheidend von der Antwort auf diese Frage abhängig. Auch die deutschen Medien (Der Spiegel, Die Zeit, Frankfurter Allgemeine) haben sich mit dieser Frage beschäftigt und ausführlich darüber veröffentlicht.

Es ist nicht überraschend, dass die unterschiedlichen Hintergründe dieser Gutachten zu sehr unterschiedlichen Forschungsergebnissen geführt haben, aber Historiker haben sich auf eines geeinigt: Kronprinz Wilhelm hat seine Präferenz für den Nationalsozialismus nicht verborgen. Die Antworten auf die Schlüsselfrage, inwieweit Kronprinz Wilhelm tatsächlich dazu beigetragen hat, die Nazis an die Macht zu bringen, unterscheiden sich jedoch stark zwischen den Ansichten der verschiedenen Parteien.

Christopher Clark

Christopher Clark bezeichnet den Kronprinzen in seinem Gutachten als “eine Randfigur, die in den Sternbildern der 1930er Jahre nicht effektiv agieren kann”. Er charakterisiert ihn als “schrecklichen Reaktionär”. Der Kronprinz war laut Clark jedoch zu unbedeutend um eine Rolle beim Aufbau des nationalsozialistischen Systems zu spielen. Kurz gesagt, der Mann war eine Flasche, er wurde nicht mal in monarchistischen Kreisen ernst genommen. Zeitgenossen schildern Wilhelm von Preußen als charmanten Plauderer, einen Bruder Leichtfuß mit Schwächen für Frauen, schnelle Autos und mit begrenzten intellektuellen Fähigkeiten: schlechter Schüler, mäßiger Student, zeitlebens schwankend im Urteil, aber entschieden im Vortrag. Er spielte nur am Rande eine Rolle und daher gibt es wenig, wofür er verantwortlich gemacht werden könnte.

Mit seinem Gutachten schloss sich Clark zunächst dem Lager Hohenzollern an, distanzierte sich jedoch seitdem vom Kampf um die Millionen, die die Familie jetzt führt. In einem Gespräch mit Klaus Wiegrefe im Spiegel vom 26. Oktober 2019 sagte er, dass es nach seiner Erinnerung um ein privates Gutachten ging, weniger um ein Gutachten für die Öffentlichkeit. Er hätte die Dimension der Auseinandersetzung allerdings vollkommen unterschätzt und nicht damit gerechnet, dass daraus ein derart großer Rechtsstreit entstehen würde.

Er relativiert jedoch immer noch die Rolle des Kronprinzen, wenn es darum geht, erheblichen Vorschub für die Nazis geleistet zu haben. Der Kronprinz litt an wahnhafter Selbstüberschätzung. Wenn man die bedeutendsten Helfer Hitlers aufzählen würde, wäre er nicht unter den ersten 300.

Dennoch teilt Clark nicht die Ansicht von Prinz Georg Friedrich, dass der Kronprinz kein Unterstützer Hitlers war. Der Mann sympathisierte mit dem Nationalsozialismus, er wollte Hitler helfen. Er war am sehr rechten Rand des bereits sehr weit nach rechts reichenden politischen Spektrums der ausgehenden Weimarer Republik.

Clark hat auch den Bericht von Malinowski, seinem Opponenten in dieser Angelegenheit, zur Kenntnis genommen. Er schätzt ihn sehr. Die unterschiedenen Einschätzungen zum Kronprinzen unterschieden sich nur in Nuancen, im Grunde ist das nach ihm eine Frage der Perspektive. Clark hat die Machtergreifung und -konsolidierung untersucht und nach der Rolle des Kronprinzen in diesem Prozess gefragt. Aus dieser Perspektive erschien ihm Wilhelm eher unbedeutend. Malinowski hingegen hat den Kronprinzen in den Mittelpunkt gestellt und die Frage von dort aus betrachtet. Man kommt dann wohl zu anderen Ergebnissen.

Clark steht noch immer zu dem, was er damals geschrieben hat. Allerdings scheint es ihm im Wissen um die Dimension, die der Fall erreicht hat, heute wichtiger, eher nach der Bereitschaft des Kronprinzen zur Kollaboration zu fragen als nach seinem tatsächlichen Einfluss auf die Ereignisse.

Pyta und Orth

Wolfram Pyta, ebenfalls von den Hohenzollern eingesetzt und Autor des jüngsten Gutachten, sieht die Dinge ganz anders. Ihm zufolge war der Kronprinz ein wichtiger Verbündeter von Von Schleicher, dem letzten Kanzler der Weimarer Republik. Der Kronprinz wäre in diesen Jahren eine Schlüsselfigur gewesen, ein wichtiges Bindeglied zwischen den verschiedenen rechten Gruppen und Parteien und ein wichtiger Kandidat für das Amt des Präsidenten der Republik. Von Schleicher wollte ihm eine mächtige Position geben und damit verhindern, dass Hitler Kanzler wird. Pyta erklärt Wilhelms “Liebe” zu den Nazis als eine Taktik, um die Macht wiederzugewinnen und Hitler dann zu erlauben, zum zweiten Plan überzugehen. In der politisch bewegten Endphase der Weimarer Republik hätte Kronprinz Wilhelm einen überaus aktiven Part bei der Verhinderung einer Kanzlerschaft Hitlers gespielt. Auch nach Januar 1933 lehnte Kronprinz Wilhelm das NS-System aktiv ab. Er stand von Anfang an den sich formierenden Widerstand-Netzwerken nahe. Ihre Fazit: Kronprinz Wilhelm hat dem NS-System keinen Vorschub geleistet.

Brandt und Malinowski

Während Clark den Kronprinzen von einer Mitverantwortung für Hitlers Machtübernahme freispricht, urteilen Malinowski und Brandt, dass dieser in “erheblichem Maß” zum Aufstieg der Nazis beitrug. Die beiden Historiker, die vom Land Brandenburg beauftragt wurden, stehen den Aktionen des Kronprinzen viel kritischer gegenüber. Brandt argumentiert, dass es nicht zu leugnen sei, dass Wilhelm zur wachsenden Macht der NSDAP beigetragen hat. Er hätte auf einen herausragenden Platz in der neuen politischen Ordnung gehofft. Malinowski kommt auch zu dem Schluss, dass der Kronprinz mit seinem allgemeinen Verhalten die Errichtung des nationalsozialistischen Regimes erheblich vorangetrieben hat.

In „Die Zeit“ vom 14. November 2019 reagierten Brandt und Malinowski ausführlich auf die Berichte von Pyta und seinem Co-Autor Orth. Sie sind äußerst überrascht über deren Gutachten, auch weil dem Kronprinzen in früheren Veröffentlichungen von Pyta und Orth nie die Rolle zugewiesen wurde, die er jetzt hat. Er trat in diesen Studien als Opportunist auf, als politischer Jongleur, der alle Optionen offen hielt, antidemokratisch, mit klaren Sympathien für den Nationalsozialismus.

Brandt spricht von einer “pro-nationalsozialistischen” Grundeinstellung, Malinowski sieht in ihm ein Sprachrohr der nationalsozialistischen Propaganda. Bereits in den 1920er Jahren, als die Nazis noch eine Splitterpartei waren, sympathisierte der 1882 geborene Wilhelm mit dem sieben Jahre jüngeren Hitler und 1926 empfing ihn der Kronprinz. Ein unstandesgemäßer Besuch, der Chef der Splitterpartei NSDAP war ein verurteilter Hochverräter. Er hatte bereits 1923 gegen die Republik geputscht. Doch Hitler und Wilhelm verband der Hass auf die Demokratie, auf Linke, auf Juden. Allerdings wollte der Kronprinz im Gegensatz zu seinem Besucher die Juden nicht umbringen.

Wilhelm und Göring, Hitlers zweiter Mann, unterrichteten sich gegenseitig. Es gab eine Zeit, in der sie sich fast täglich anriefen. Der Adlige und der Adlatus waren – wie ein Diener Wilhelms berichtete – “gute Freunde”. 1932 schlossen sie ein Bündnis für die anstehende Wahl zum Reichspräsidenten. Hitler wollte Anhänger unter den vielen Monarchisten gewinnen, Wilhelm wiederum erhoffte sich eine Monarchie faschistischen Typs wie in Italien.

Das Gutachten Pytas vernachlässigt einen anderen Aspekt, der in früheren Veröffentlichungen hervorgehoben wurde: den Plan von 1932 für eine Gewaltenteilung zwischen Wilhelm und Hitler. Hitler schätzte die Bedeutung seines Verbündeten so hoch ein, dass er glaubte, ihm bei Wahlen zu unterliegen. Anfang des Jahres traf man sich auf Schloss Cecilienhof. Der Kronprinz zu Hitler: “Das Richtige ist doch, wenn ich zur Reichspräsidentenwahl aufgestellt werde, dann würden Sie mein Kanzler.” Antwort Hitlers: “Sollte ich zum Reichskanzler ernannt werden, wird es meine Aufgabe sein, dem Hause Hohenzollern zur Rehabilitierung zu verhelfen.”

Das Projekt scheiterte am Einspruch Kaiser Wilhelms. Aber als Hitler selbst gegen Amtsinhaber Reichskanzler Paul von Hindenburg antrat, unterstützte der Kronprinz ihn mit einem Wahlaufruf. Später prahlte der Hohenzoller, er allein habe “rund zwei Millionen Stimmen” für den Nazi gewonnen, was Gutachter Clark als “höchst unwahrscheinlich” verwirft; dieses Thema  wird im Gutachten von Pyta und Orth nicht einmal erörtert. Malinowski und Brandt hingegen können belegen, dass der Aufruf des Prinzen “wie eine Bombe” einschlug, so ein Zeitzeuge.

Brandt schreibt, der Kronprinz habe von einem autoritären faschistischen Regime im “neuen Stil” geträumt. Sein Held war der italienische Diktator Mussolini, den er mehr als einmal besuchte.  Seinen Schreibtisch zierte bald ein Foto des italienischen Diktators Benito Mussolini. Der Faschismus sei “eine fabelhafte Einrichtung”, schwärmte der ehemalige Kronprätendent, der “Duce” habe mit “genialer Brutalität” die Demokratie “ausgerottet”.

Viele Verwandte von Wilhelm teilten eine Schwäche für die Nazis. Malinowski zufolge gab es innerhalb der Familie einen Kampf um die Gunst Hitlers, der intensiv, emotional und mit Intrigen geführt  wurde. Er nennt den Kaiser einen “Antisemiten mit prophetischen Mordphantasien”, “Ich glaube, Gas ist die beste Lösung”, der von Hitlers Machtergreifung im Jahr 1933 begeistert war. Seine zweite Frau Hermine schwärmte von der braunen Bewegung. Ein Bruder von Wilhelm schaffte es zum SA-Obergruppenführer, einer Schwester beförderten die Nazis in Großbritannien.

Brandt und Malinowski stellen noch mehr Fragen zum Gutachten von Pyta und Orth. Sie nennen die notwendige Skepsis gegenüber vagen Plänen zur Umstrukturierung der Monarchie. Unklar bleibt zudem, aus welchen Bestandteilen das zerbrochene Kaiserreich überhaupt hätte rekonstruiert werden können. Seit 1918 war die preußische Monarchie unsichtbar, tatsächlich hatten der Kaiser und der Kronprinz mit ihrer Flucht “Desertion” alle Ehre für den preußischen Adel verloren. Tatsächlich war kein geeigneter Thronfolger verfügbar. Das Gutachten von Pyta und Orth erwähnt dies überhaupt nicht. Hinweise auf die Nähe des Kronprinzen zur NS-Bewegung relativieren Pyta und Orth unterdessen nach Kräften.

Der Kronprinz zeigte sich zur Wahlzeit und bei Propagandatreffen für die Nazis mit einem Hakenkreuzband um den Arm. Auf einem Höhepunkt der bürgerkriegsähnlichen Zustände und angesichts des mäandernden Terrorismus von SA-Einheiten werden im April 1932 SA und SS verboten. Der Kronprinz richtet daraufhin einen Brief an Reichswehrminister Groener, in dem er für die Aufhebung des Verbots plädiert. Doch Pyta und Orth wissen selbst dieses Schreiben umzudeuten. Es sei von Schleicher eingeflüstert. Also lassen sie alles, was auf eine Annäherung Wilhelms an die nationalsozialistische Bewegung hindeutet in einem anderen Licht erscheinen, und für alles, was immer gegen den Kronprinzen sprechen könnte, haben die beiden Autoren eine andere Antwort: Seine öffentliche Verteidigung der antijüdischen Politik nach 1933? Nicht ernst zu nehmen. Die Serie unterwürfiger Telegramme an Hitler? Bloße Camouflage. Die ehrenden Gesten auf einer Beerdigungsfeier für einen SA-Führer und einen Polizeioffizier? Nur Letzterem gewidmet. Die Teilnahme am ‘Tag von Potsdam’? Kaum sichtbar. In die SA geriet der Prinz aus Freude am Autofahren, im rechtsradikalen Stahlhelm überzeugte die ‘gemütliche Vereinsmeierei’. Finanzielle Unterstützung für die SA habe Arrangements für einen ’Bierabend’ oder ein Tankfüllung für seine SA-Staffel nicht überstiegen. Was der Anwärter auf den deutschen Kaiserthron auf einem Bierabend der SA zu suchen hatte, bleibt offen.

Malinowski und Brandt denken die Deutung von Pyta und Orth ist originell: Als Widerstandsmann avant la lettre ist der Thronfolger bisher noch nicht beschrieben worden. In ihrem um historische Vollreinigung des Kronprinzen bemühten Gutachten, über dessen Auftraggeber beim Stand der Dinge nur spekuliert werden kann, taucht er nun in just dieser Rolle auf. Ob dies einem genaueren, prüfenden Blick der Geschichtswissenschaft standhält, wird es zeigen.

Auf jeden Fall war diese Idee gut für eine Überschrift Ein Prinz im Widerstand? in Blocklettern über Brandts und Malinowskis Artikel. Mit einem großen Fragezeichen.

Brandts Fazit ist klar: Wilhelms politisches Weltbild sei durch eine rechtsextreme Tendenz neuer Qualität gekennzeichnet, die zuerst im italienischen Faschismus und dann im deutschen Nationalsozialismus einen realen Bezugspunkt gefunden habe. Entscheidend für die Frage, ob er dem NS-Regime Vorschub geleistet habe, sei aber, dass der Kronprinz angesichts der anhaltend starken Unterstützung der Monarchie in Deutschland mit ihrer positiven Haltung zum Nationalsozialismus, einen wichtigen Beitrag zur Machtübertragung an die NSDAP geleistet hat und dass er ebenfalls zu ihrer Konsolidierung beigetragen hat.

Herbert

Ulrich Herbert, renommierter Historiker der Universität Freiburg, reagierte ebenfalls auf Böhmermanns Aufruf und las die 350 Seiten der vier Gutachten. In der „Frankfurter Allgemeine“ vom 30. November 2019 machte er Hackfleisch aus den beiden von den Hohenzollern in Auftrag gegebenen Gutachten. Herbert glaubt, dass der Kronprinz den Nazis geholfen hat, genau wie die meisten anderen hochrangigen Leute zu dieser Zeit. Wie Wilhelm zu den ersten Maßnahmen des NS-Regimes stand, machte er in Interviews, sowie in zahlreichen Briefen auch an Bekannte im Ausland deutlich, so in einem Schreiben an eine amerikanische Freundin, in dem er die Verfolgung von Juden in den ersten Wochen nach der “Machtergreifung” Hitlers gegen “anti-deutsche Greuelpropaganda” in den Vereinigten Staaten verteidigte.

Winkler

Auch der Historiker Heinrich August Winkler, der bis 2007 an der Humboldt-Universität zu Berlin Neue Geschichte lehrte, studierte die vier Historiker-Gutachten. Er meint, dass der Kronprinz Vorschub geleistet hat. Er nennt die Studie von Brandt und Malinowski sehr überzeugend, er nimmt andererseits eindeutig Stellung gegen die Gutachten von Clark und Pyta.

Alle Gutachter teilen jedoch die Meinung das Kronprinz Wilhelm nicht zu denen gehörte, die die Machtergreifung von Hitler vom 30. Januar 1933 vorbereitet haben. Das war das Werk einer Gruppe angeführt von dem früheren Reichskanzler Franz von Papen, dem Gegner von General Kurt von Schleicher.

Der Kronprinz hat versucht die Krise für sich zu nutzen und stand aufseiten Schleichers, aber das entlastet ihn sicher nicht, denn die Haltung Schleichers gegenüber Hitler war alles andere als eindeutig. Dem Eindruck, den Pyta und Orth erwecken, dass der General ein konsequenter Hitler-Gegner gewesen sei, widerspricht Winkler nachdrücklich. Der Kronprinz wollte die deutschnationalen Verbündeten Hitlers unterstützen, aber genau das war ein Beitrag zur Stabilisierung der Regierung Hitler, die aus einer Koalition  von Nationalsozialisten, Deutschnationalen und Stahlhelm bestand, der sogenannten Kampffront Schwarz-Weiß-Rot. Laut Winkler war es jedem klar, wo des Kronprinzen Präferenz lag, als er am 21. März 1933 am Potsdamer Tag dem neuen Regime seine Reverenz erwies. Das symbolische Kapital, das der Kronprinz durch seine Präsenz einbrachte – er verkörperte die monarchistische Tradition –, war für die Nationalsozialisten von außerordentlichem Wert. Winkler: Wenn das keine erhebliche Vorschubleistung zugunsten des ‘Dritten Reiches’ war, was dann?

Nach Winklers Meinung war der Kronprinz kein überzeugter Anhänger des NS-Regimes, aber er gehörte zu jenen, die in Hitlers Herrschaft im Großen und Ganzen einen immensen Fortschritt gegenüber der Weimarer Republik sahen und im Führerstaat eine der Demokratie weit überlegene Staatsform.

Die Nazis hatten jedoch vor allem Verachtung für den Kronprinzen, Wilhelm sei ein Ignoranz, der “Brechreiz” errege. Hitler und Goebbels mögen den Kronprinzen verachtet haben, entscheidend bleibt, dass Wilhelm als eines der prominentesten Mitglieder der alten Eliten geholfen hat, konservative Vorbehalte gegen Hitler abzubauen und seine Herrschaft nach dem 30. Januar 1933 zu legitimieren. Wilhelm war ein reaktionärer Opportunist, der als Fernziel die Widerherstellung der Monarchie anstrebte.

Dafür wollte er Hitler instrumentalisieren. Aber es lief genau umgekehrt: Hitler hat den Kronprinzen für die Festigung seiner Herrschaft instrumentalisiert.

Der Kronprinz mit seinen Söhnen Hubertus und Friedrich

In den Gutachten wird ebenfalls das sehr massive nationalsozialistische Engagement eines jüngeren Bruders des Kronprinzen, August Wilhelm, eines hohen SA-Führers, zu wenig beachtet. Und immer wieder muss man auch den sich radikalisierenden Antisemitismus Wilhelms II. im niederländischen Exil hinweisen. Der einzige Hohenzollern-Prinz, der zeitweilig mit dem konservativen Widerstand in Verbindung stand, war Louis Ferdinand, und dem hat sein Vater, Kronprinz Wilhelm, ein weiteres Engagement gegen Hitler untersagt.  Die Gesamtbilanz ist für das Haus Hohenzollern fatal.

Urbach

Die Gutachten haben in Deutschland eine Welle von Reaktionen ausgelöst. Karina Urbach (geb. 1968), Institute for Advanced Study, School of Historical Studies, Princeton USA, ist Expertin für die Beziehungen zwischen Europas Adel und den Nationalsozialisten. Sie hat 2015 Go Betweens for Hitler veröffentlicht. Ihre Ansicht nach ging der Kronprinz jedoch – um es drastisch auszudrücken – mit jedem Gegner der Weimarer Republik „ins Bett“, um an die Macht zu kommen: im Frühling ’32 mit Hitler, im Herbst/Winter ’32 mit Schleicher, Ende Januar ’33 wieder mit Hitler. Der Kronprinz selbst schrieb 1934, er habe die ganze Zeit Hitler unterstützt, weil Schleicher einfach nicht stark genug gewesen sei. Die kurze Schleicher-„Liebelei“ exkulpiert den Kronprinzen also nicht. Und Schleicher war natürlich kein Demokrat, sondern einer der Totengräber der Weimarer Republik.

Für die Nationalsozialisten war der Eifer der Hohenzollern ein hochwillkommenes Geschenk. Sie sahen die Familie als »nützliche Idioten«, die man bei der Machtergreifung und unmittelbar danach benutzte – und dann getrost fallen lassen konnte. Als Vertreter der alten Elite war Kronprinz Wilhelm für die Propaganda der Nazis im Ausland von unschätzbarem Wert. Nachdem der Kronprinz im April 1932 öffentlich erklärt hatte, bei der Reichspräsidentenwahl für ihn zu stimmen, sagte “ein lächelnder” Hitler dem britischen Daily Express: “Ich schätze diese Tat des Kronprinzen außerordentlich. Sie war völlig spontan, und er hat sich damit öffentlich in die Reihe patriotischer, deutscher Nationalisten gestellt.”

Vier Wochen nachdem sein ältester Sohn an der Westfront gefallen war, schrieb der Kronprinz am 25. Juni 1940 seinem “Führer” ein euphorisches Glückwunschtelegramm über die Siege der Wehrmacht. Nur die fanatischsten Eltern brachten so etwas fertig.

Urbachs Schlussfolgerung: die Hohenzollern haben die Nazis nicht nur unterstützt, weil sie auf den Thron hofften, sie hatten auch ideologisch viel mit ihnen gemeinsam: Antisemitismus, Antiparlamentarismus, Antikommunismus und später die Freude an Hitlers Eroberungskriegen.

Die Folgen

Seit 2019 hat die Familie Hohenzollern Höchstanforderungen festgelegt, wie zum Beispiel die Entschädigung für enteignete Schlösser, die Aufenthaltsrechte auf Schloss Cecilienhof und in den Villen sowie die Rückgewinnung vieler Kunstschätze aus verschiedenen Museen. Diese Kunstschätze befinden sich noch weitgehend im Besitz der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unddes Deutschen Historischen Museums. Wenn dieses kulturelle Erbe zurückgegeben werden soll, oder wenn eine Entschädigung für die Enteignung gezahlt werden soll, werden die Folgen für die Gemeinschaft immens sein. Allein in Brandenburg gibt es viele Nationaldenkmäler wie das Schloss Sanssouci, das Neue Palais, das Lindstedt-Schloss, den Cecilienhof, den Charlottenhof und das Rheinsberg-Schloss (Bild) , die ehemalige Seemannsstation am Jungfernsee und Krongut Bornstedt.

Der ehemalige Familienbesitz, über den diskutiert wird, befindet sich jedoch nicht nur in Brandenburg. Zum Beispiel gibt es die Burg Rheinfels am Rhein aus dem 13. Jahrhundert in der Nähe von Sankt Goar im Lorelei-Tal, die auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes steht. Am 25. Juni 2019 wurde der Anspruch von Kronprinz Georg Friedrich auf dieses Denkmal, zu dem auch ein lukratives Hotel gehört, vom Landgericht Koblenz abgelehnt. Diese Ablehnung ist noch nicht endgültig, da der Prinz gegen dieses Urteil Berufung eingelegt hat.

Huis Doorn

Es schien sogar, dass die Niederlande dem Anspruch der Hohenzollern nicht entkommen könnten: Georg Friedrich, der auch den Titel Prinz von Oranien verwenden darf, hat bereits 2013 darauf hingewiesen, dass für Huis Doorn, die ehemalige Residenz von Kaiser Wilhelm II.in Holland, auch eine Rückerstattungsforderung  möglich sei, jedoch hat man nach 2014 in Huis Doorn nichts mehr davon gehört.

Gemäß dem BVV, dem Besluit Vijandelijk Vermogen, (Entscheidung Feindlicher Besitz) ging die ehemalige Residenz von Kaiser Wilhelm II. unmittelbar nach der Befreiung an den niederländischen Staat über. Im April 1946 reichte Kronprinz Wilhelm beim Verwaltungsinstitut einen ontvijandingsverzoek  (Antrag auf Befreiung) gegen diese Maßnahme ein.

Der Kronprinz erklärte in seinem Antrag, dass sein Vater, genau wie er selbst, den Niederlanden sehr dankbar war und das Land hoch schätzte. Durch seinen Aufenthalt auf Wieringen hatte er sich mit vielen dort angefreundet, Freundschaften, die er immer gepflegt hatte. Er sprach gut Niederländisch und liebte die Niederlande. Er hatte nicht die geringste Sympathie für das nationalsozialistische Regime in Deutschland.

Das Verwaltungsinstitut kam zu dem Schluss, dass selbst wenn das, was der Kronprinz in dem Antrag behauptete, wahr war, es keineswegs möglich sei, daraus zu schließen, dass er während der Besatzung eine niederländische Haltung eingenommen und sich für die Sache der Alliierten besonders glaubwürdig gemacht hatte; der Antrag zeigte keine positiven Elemente, andererseits eine ausgeprägte deutsche Haltung.

Das Verwaltungsinstitut lehnte den Antrag am 28. Mai 1948 ab. Der Kronprinz beließ es nicht dabei und legte am 21. Juni 1948 Berufung ein. Er brachte zwei Argumente vor, um sich für die Befreiung zu qualifizieren: Erstens waren dies Güter von besonderem historischem Wert und zweitens wegen des Asyls, das die niederländische Regierung seinem Vater gewährt hatte, und der Verpflichtung gegenüber seiner Person und Waren zu schützen. Das Verwaltungsinstitut hielt die beiden Argumente jedoch nicht für gültig.

Auch argumentierte das Institut, dass der Kronprinz dem deutschen NS-Regime mehr oder weniger gedient habe, anstatt  sich verdient zu machen um die Niederlande. Die Daten, auf die Bezug genommen wurde, betrafen unter anderem zwei Telegramme an Hitler im Jahr 1940 mit begeisterten Glückwünschen für die Invasion Norwegens, den Überfall auf Belgien und die Niederlande, der Sieg über die englische Expansionsarmee und die Zerstörung der französischen Armee.

Am 21. Juni 1949 erließ die Justizabteilung ihr Urteil. Der Rat war der Ansicht, dass, selbst wenn der Kronprinz sich dem Nationalsozialismus widersetzt und die Widerstandsbewegung unterstützt hätte, die während des Krieges aus Militärkreisen hervorgegangen war, dies weder den Niederlanden noch den Alliierten gedient hätte. Der Widerstand insbesondere des Stahlhelms gegen das NS-Regime war aus Liebe zum vom Nationalsozialismus zerstörten Heimatland entstanden. Und nicht aus Sympathie mit den Ländern, die vom nationalsozialistischen Deutschland überwältigt wurden, oder aus dem Willen heraus, dieses Schicksal abzuwenden. Die bloße Ablehnung von Gewalt gegen die Niederlande rechtfertigte nicht die Zurückziehung einer Feindseligkeitserklärung.

Petition Louis Ferdinand

1951 stellte Louis Ferdinand (1907-1994) kurz vor dem Tod seines Vaters einen weiteren Antrag auf Zurückziehung der Feindseligkeitserklärung beim Verwaltungsinstitut, weil die Familie Hohenzollern dem NS-Regime angeblich Widerstand geleistet habe. Louis Ferdinand hätte versucht, die Offensive gegen Frankreich und damit auch die Invasion der Niederlande zu verhindern. Er hätte sich auch aktiv an den Vorbereitungen für den Angriff auf Hitler am 20. Juli 1944 (Attentat Stauffenberg) beteiligt. Auch brachte er „ein merkwürdiges Argument“ vor (laut Van der Ven): Er wies auf die in deutschen Kreisen verbreitete Idee hin, dass es zur Vermeidung aktiver nationalistischer Bewegungen, die immer mehr Autorität erlangen, sinnvoll sei, dafür zu sorgen, dass sie in eine Monarchie umgewandelt werden, um die demokratische Regierungsform in Deutschland zu ermöglichen, genau wie in die skandinavischen Länder, England, Belgien und den Niederlanden. Das Institute schlug jedoch nochmal vor, die Petition abzulehnen.

Die Parteien einigten sich jedoch 1960. Louis Ferdinand zog seine Petition zurück und es wurde vereinbart, bestimmte bewegliche Sachen aus dem Nachlass des Kronprinzen an die Bundesrepublik Deutschland zu übergeben. Ausgangspunkt war, dass mit der Übergabe der Gegenstände alle Ansprüche auf Rückgabe des Eigentums des Kronprinzen endgültig geklärt waren. Artikel von besonderem historischem Wert wurden tatsächlich im März 1964 zurückgegeben.

Nicht nur der Kronprinz

An den Sympathien der Nazis für August Wilhelm (1887 – 1949), den vierten Sohn von Kaiser Wilhelm II. und seiner Frau Auguste Victoria, besteht kein Zweifel. In der Familie hieß er “Auwi”. Es sind viele Fotos erhalten, auf denen er mit einem Hakenkreuzarmband oder mit dem Hitler-Gruß abgebildet ist.

Er wurde Mitglied des Stahlhelms, Bund der Frontsoldaten, einer Vereinigung von Veteranen des Ersten Weltkriegs, und trat 1930 zum Entsetzen seiner Familie der NSDAP bei. Er war ursprünglich das Ziel von Spott in der linken Presse (“Braunhemdchen Auwi”). Er wurde von den Nazis als Wahlhelfer eingesetzt. Der Sohn des ehemaligen Kaisers musste die Wähler an die NSDAP binden, die normalerweise dem Nationalsozialismus abgeneigt waren. August Wilhelm wurde Reichstagsmitglied und SA-Obergruppenführer. 1942 geriet er jedoch nach einigen kritischen Aussagen über Joseph Goebbels in Ungnade. Es war ihm verboten zu sprechen.

1945 floh er aus Potsdam, um der Roten Armee zu entkommen. Er suchte und fand Schutz bei Margarete von Hessen, einer Schwester seines Vaters, aber am 8. Mai 1945 wurde er von den Amerikanern gefangen genommen und zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Er verbüßte seine Strafe nicht und starb im Alter von 62 Jahren.

Kunstobjekte

Die Familie hat auch viele Artefakte beansprucht und sie können diesbezüglich auf eine schnelle Lösung hoffen. Viele deutsche Museen zeigen Kunstschätze, die sich noch rechtmäßig im Besitz der Hohenzollern befinden. Sie wurden auf Vertragsbasis ausgeliehen und diese Darlehensverträge liefen 2015 aus. Um den Druck auf die Ansprüche zu erhöhen, haben die Hohenzollern die Verträge im Sommer 2018 nicht verlängert und die wertvollen Museumsstücke gefordert, so dass ungewiss ist, ob sie in naher Zukunft in den verschiedenen Museen ausgestellt werden. Sollte es tatsächlich dazu kommen, bedeutet dies für viele Museen einen großen Verlust oder sogar eine Schließung.

Weil es sich um sehr viele und ganz besondere Werke handelt, wie Zehntausende von Gemälden, grafischen Drucken, Skulpturen, Schmuck, Porzellanobjekten, Medaillen, Möbeln, Teppichen, Büchern und Fotos, alles Kunstschätze von großem Wert und historischer Bedeutung, wie das anmutige Neuwieder Kabinett von David Roentgen, eines der schönsten Möbel, die jemals in Europa hergestellt wurden; Werke von Künstlern wie dem Maler Friedrich Tischbein und Lucas Cranach dem Älteren und dem Jüngeren; Kleidung von Kaiser Wilhelm I. und der Sessel, in dem Friedrich der Große, König von Preußen, starb.

Lukas Cranach der Ältere, Martin Luther 1529

Hohenzollern Museum

Alle diese Kunstobjekte zurückfordern kann nicht isoliert von den Plänen zur Errichtung eines neuen Hohenzollern-Museums gesehen werden. Die Kunstwerke, die sich noch in öffentlichen Museen befinden, werden dann in diesem Museum ausgestellt. Die Website der Familie Hohenzollern erklärt diese Pläne bereits stolz: “In diesem Museum können Stücke von besonderem Interesse für die Öffentlichkeit in einer Dauerausstellung präsentiert werden.”

Diese Pläne eröffnen einen neuen Diskussionspunkt, da Georg Friedrich ein hohes Maß an Kontrolle über das Museum haben möchte, obwohl das Museum mit Steuergelder bezahlt wird. Dies wird zweifellos bedeuten, dass viele historische Werke in einen subjektiven Kontext gestellt werden und dass die Hohenzollern als Opfer des Kriegsendes dargestellt werden. In Deutschland ist dies sehr umstritten, da viele nicht glauben, dass eine Familie, die im Ersten und Zweiten Weltkrieg eine zweifelhafte Rolle gespielt hat, selbst entscheiden kann, wie diese Geschichte in einem Museum präsentiert wird.

Das Urteil

Das Urteil wird hauptsächlich von der Auslegung der verschiedenen Gutachten abhängen. Beide Parteien verfügen aus eigener Sicht über ausreichende Argumente. Die Kritiker der Hohenzollern scheinen vorerst stärker zu sein mit ihren Behauptungen, dass der Kronprinz nicht nur mit den Ideen der Nazis einverstanden war, sondern auch eine wichtige Unterstützung für sie war. Es gibt kaum Historiker, die bezweifeln, dass Kronprinz Wilhelm eine wichtige Rolle bei der Machtübernahme Hitlers gespielt hat. Selbst der Autor des ersten Gutachten Clark hat sich von dem Anspruch seines Auftraggebers distanziert.